May 17th
- Jul 18th, 2025
Opening / May 16th, 7 PM
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Eine Archäologie der Gegenwart
Wurzeln, Aststücke und Fragmente von Bäumen ruhen auf Sockeln aus Marmor oder Granit. Nino Maaskola hat sie mit Kunstharz überzogen – ein gestalterischer Eingriff, der die Durchdringung von Natur und Kultur sichtbar macht. „Das Anthropozän ist das Zeitalter, in dem sich der Mensch nicht länger nur als Bewohner der Erde versteht, sondern als geologischer Agent“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn. Bereits im Daoismus ist die Verbindung zwischen Mensch und Erde durch Atmung und Zirkulation grundlegend. Was allerdings neu ist, ist die materielle Einschreibung des Menschen in die Erdgeschichte.
Was formal wie eine klassische skulpturale Setzung erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als eine Auseinandersetzung mit Formen der Zersetzung, Bewahrung und Transformation. In der Skulpturengruppe treffen Millionen Jahre alte Gesteine, über Jahrzehnte gewachsene Wurzeln und das in wenigen Stunden erstarrende Kunstharz aufeinander. Harz, Stein und Holz schichten sich wie Erdsegmente übereinander und sedimentieren Material und Zeit in skulpturaler Form. Zwischen menschlichem Zeithorizont und geologischer Dauer entfaltet sich, was Horn einen „clash of scales“, ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Zeitordnungen nennt. Die letzte Schicht bildet Epoxidharz, als materielles Symbol des Anthropozäns: Es verbindet die beiden Skulpturteile. Der glänzende, synthetische Überzug oszilliert zwischen Konservierung und Künstlichkeit, zwischen ästhetischer Veredelung und Versiegelung. Die Skulpturen konservieren einen Zwischenzustand: Die Wurzeln, einst tief in der Erde verankert, auf dem Weg zurück zu Humus, sind in ihrem Moment der Auflösung angehalten. In Kombination mit den Sockeln, auf denen sie platziert sind, entsteht eine Verbindung zwischen menschlichen Körperformen, geologischem Material und ökologischem Wachstum. Sie nehmen dabei fast eine anthropomorphe Körperlichkeit an, erinnern an Köpfe oder Rümpfe. Der Baum erscheint als dem Menschen verwandt – nicht nur in seiner Gestalt, sondern auch in seiner Wechselwirkung mit der Erde.
Mit “Maa” betrachtet Maaskola nicht nur die gegenwärtige Figuration der Mensch-Natur-Beziehung, sondern macht das Material selbst zu handelnden Akteur*innen. Seine Stoffe tragen im Sinne einer "Wirkmächtigkeit der Dinge" die Prozesse ihrer eigenen Formbildung mit. Das Epoxidharz, das in den Skulpturen als versiegelnde Haut erscheint, wird in den Wandarbeiten zur autonomen Bildmasse, die sich in expansiven, ringförmigen Formationen ausbreitet. Zentrierend von der Mitte ausgehend, erinnern die Kreisformationen an geologische, biologische oder klimatische Prozesse, etwa die mysteriösen Feenkreise in der Wüste Namibias, die Richat-Struktur in Mauretanien oder unterseeische Ringe vor Korsika. Die Wandskulpturen werden zu organisierenden wie organisierten Landschaften. Durch Dichte, Temperatur und Trocknungszeit bilden sie eigene Strukturen, als folgten sie einem inneren Code. Ihre Eigenlogik erinnert an natürliche Maserungen von Stein oder Wuchsformen von Holz und deutet auf eine Selbstorganisation, wie sie von der fraktalen Forschung bekannt ist.
Die Erde erscheint in “Maa” nicht länger als bloße Kulisse menschlichen Handelns, sondern als Akteur, dessen Beschaffenheit sich unter menschlichem Einfluss radikal verändert hat und verändert. Maaskolas Arbeiten entstehen in der Spannung zwischen menschlicher Setzung und materieller Autonomie. Der Titel der Serie, wie der Ausstellung selbst, gleicht einer doppelten Einschreibung in Herkunft und Erdverbundenheit: “Maa” ist Teil von Maaskolas Nachnamen, bedeutet im Finnischen aber auch „Land“.
Text: Katrin Krumm
/
An Archaeology of the Present
Roots, branches, and tree fragments rest on pedestals made of marble or granite. Nino Maaskola has coated them in synthetic resin—a sculptural intervention that renders visible the interpenetration of nature and culture. “The Anthropocene is the epoch in which humans no longer see themselves merely as inhabitants of the Earth, but as geological agents,” writes cultural theorist Eva Horn. In Daoism, the connection between humans and the Earth through breath and circulation is already fundamental. What is new, however, is the material inscription of the human into the history of the Earth.
What appears at first glance to be a classic sculptural composition reveals itself, upon closer inspection, as an engagement with processes of decomposition, preservation, and transformation. In this group of sculptures, million-year-old rock, roots grown over decades, and synthetic resin that hardens within hours come together. Resin, stone, and wood layer like segments of the Earth, sedimenting material and time into sculptural form. Between the human time scale and geological duration, what unfolds is what Horn calls a “clash of scales”—a collision of different temporal orders. The final layer is epoxy resin, serving as a material symbol of the Anthropocene: it binds the two sculptural elements together. The glossy, synthetic coating oscillates between preservation and artificiality, between aesthetic refinement and sealing. The sculptures preserve a transitional state: roots, once deeply anchored in the soil and on their way back to humus, are frozen in a moment of dissolution. Combined with the pedestals they are placed upon, a connection emerges between human bodily forms, geological material, and ecological growth. They almost assume an anthropomorphic corporeality, evoking heads or torsos. The tree appears kin to the human—not only in form, but also in its interaction with the Earth.
With “Maa,” Maaskola explores not only the contemporary configuration of the human–nature relationship, but also renders the material itself into acting agents. His materials carry, in the sense of a “material agency,” the processes of their own form-making. The epoxy resin, which appears in the sculptures as a sealing skin, becomes an autonomous pictorial substance in the wall works, spreading in expansive, ring-shaped formations. Radiating outward from the center, these circular formations evoke geological, biological, or climatic processes—such as the mysterious fairy circles in the Namib Desert, the Richat Structure in Mauritania, or underwater rings off the coast of Corsica. The wall sculptures become organizing as well as organized landscapes. Through density, temperature, and drying time, they generate their own structures, as if following an internal code. Their inner logic recalls natural grain patterns in stone or growth forms in wood and suggests a kind of self-organization known from fractal research.
In “Maa,” the Earth no longer appears as a mere backdrop for human activity, but as an actor whose condition has been and continues to be radically transformed by human influence. Maaskola’s works emerge from the tension between human design and material autonomy. The title of the series—and the exhibition itself—serves as a double inscription of origin and rootedness: “Maa” is part of Maaskola’s surname, but in Finnish it also means “land.”
Text: Katrin Krumm
May 17th
- Jul 18th, 2025
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Eine Archäologie der Gegenwart
Wurzeln, Aststücke und Fragmente von Bäumen ruhen auf Sockeln aus Marmor oder Granit. Nino Maaskola hat sie mit Kunstharz überzogen – ein gestalterischer Eingriff, der die Durchdringung von Natur und Kultur sichtbar macht. „Das Anthropozän ist das Zeitalter, in dem sich der Mensch nicht länger nur als Bewohner der Erde versteht, sondern als geologischer Agent“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn. Bereits im Daoismus ist die Verbindung zwischen Mensch und Erde durch Atmung und Zirkulation grundlegend. Was allerdings neu ist, ist die materielle Einschreibung des Menschen in die Erdgeschichte.
Was formal wie eine klassische skulpturale Setzung erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als eine Auseinandersetzung mit Formen der Zersetzung, Bewahrung und Transformation. In der Skulpturengruppe treffen Millionen Jahre alte Gesteine, über Jahrzehnte gewachsene Wurzeln und das in wenigen Stunden erstarrende Kunstharz aufeinander. Harz, Stein und Holz schichten sich wie Erdsegmente übereinander und sedimentieren Material und Zeit in skulpturaler Form. Zwischen menschlichem Zeithorizont und geologischer Dauer entfaltet sich, was Horn einen „clash of scales“, ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Zeitordnungen nennt. Die letzte Schicht bildet Epoxidharz, als materielles Symbol des Anthropozäns: Es verbindet die beiden Skulpturteile. Der glänzende, synthetische Überzug oszilliert zwischen Konservierung und Künstlichkeit, zwischen ästhetischer Veredelung und Versiegelung. Die Skulpturen konservieren einen Zwischenzustand: Die Wurzeln, einst tief in der Erde verankert, auf dem Weg zurück zu Humus, sind in ihrem Moment der Auflösung angehalten. In Kombination mit den Sockeln, auf denen sie platziert sind, entsteht eine Verbindung zwischen menschlichen Körperformen, geologischem Material und ökologischem Wachstum. Sie nehmen dabei fast eine anthropomorphe Körperlichkeit an, erinnern an Köpfe oder Rümpfe. Der Baum erscheint als dem Menschen verwandt – nicht nur in seiner Gestalt, sondern auch in seiner Wechselwirkung mit der Erde.
Mit “Maa” betrachtet Maaskola nicht nur die gegenwärtige Figuration der Mensch-Natur-Beziehung, sondern macht das Material selbst zu handelnden Akteur*innen. Seine Stoffe tragen im Sinne einer "Wirkmächtigkeit der Dinge" die Prozesse ihrer eigenen Formbildung mit. Das Epoxidharz, das in den Skulpturen als versiegelnde Haut erscheint, wird in den Wandarbeiten zur autonomen Bildmasse, die sich in expansiven, ringförmigen Formationen ausbreitet. Zentrierend von der Mitte ausgehend, erinnern die Kreisformationen an geologische, biologische oder klimatische Prozesse, etwa die mysteriösen Feenkreise in der Wüste Namibias, die Richat-Struktur in Mauretanien oder unterseeische Ringe vor Korsika. Die Wandskulpturen werden zu organisierenden wie organisierten Landschaften. Durch Dichte, Temperatur und Trocknungszeit bilden sie eigene Strukturen, als folgten sie einem inneren Code. Ihre Eigenlogik erinnert an natürliche Maserungen von Stein oder Wuchsformen von Holz und deutet auf eine Selbstorganisation, wie sie von der fraktalen Forschung bekannt ist.
Die Erde erscheint in “Maa” nicht länger als bloße Kulisse menschlichen Handelns, sondern als Akteur, dessen Beschaffenheit sich unter menschlichem Einfluss radikal verändert hat und verändert. Maaskolas Arbeiten entstehen in der Spannung zwischen menschlicher Setzung und materieller Autonomie. Der Titel der Serie, wie der Ausstellung selbst, gleicht einer doppelten Einschreibung in Herkunft und Erdverbundenheit: “Maa” ist Teil von Maaskolas Nachnamen, bedeutet im Finnischen aber auch „Land“.
Text: Katrin Krumm
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An Archaeology of the Present
Roots, branches, and tree fragments rest on pedestals made of marble or granite. Nino Maaskola has coated them in synthetic resin—a sculptural intervention that renders visible the interpenetration of nature and culture. “The Anthropocene is the epoch in which humans no longer see themselves merely as inhabitants of the Earth, but as geological agents,” writes cultural theorist Eva Horn. In Daoism, the connection between humans and the Earth through breath and circulation is already fundamental. What is new, however, is the material inscription of the human into the history of the Earth.
What appears at first glance to be a classic sculptural composition reveals itself, upon closer inspection, as an engagement with processes of decomposition, preservation, and transformation. In this group of sculptures, million-year-old rock, roots grown over decades, and synthetic resin that hardens within hours come together. Resin, stone, and wood layer like segments of the Earth, sedimenting material and time into sculptural form. Between the human time scale and geological duration, what unfolds is what Horn calls a “clash of scales”—a collision of different temporal orders. The final layer is epoxy resin, serving as a material symbol of the Anthropocene: it binds the two sculptural elements together. The glossy, synthetic coating oscillates between preservation and artificiality, between aesthetic refinement and sealing. The sculptures preserve a transitional state: roots, once deeply anchored in the soil and on their way back to humus, are frozen in a moment of dissolution. Combined with the pedestals they are placed upon, a connection emerges between human bodily forms, geological material, and ecological growth. They almost assume an anthropomorphic corporeality, evoking heads or torsos. The tree appears kin to the human—not only in form, but also in its interaction with the Earth.
With “Maa,” Maaskola explores not only the contemporary configuration of the human–nature relationship, but also renders the material itself into acting agents. His materials carry, in the sense of a “material agency,” the processes of their own form-making. The epoxy resin, which appears in the sculptures as a sealing skin, becomes an autonomous pictorial substance in the wall works, spreading in expansive, ring-shaped formations. Radiating outward from the center, these circular formations evoke geological, biological, or climatic processes—such as the mysterious fairy circles in the Namib Desert, the Richat Structure in Mauritania, or underwater rings off the coast of Corsica. The wall sculptures become organizing as well as organized landscapes. Through density, temperature, and drying time, they generate their own structures, as if following an internal code. Their inner logic recalls natural grain patterns in stone or growth forms in wood and suggests a kind of self-organization known from fractal research.
In “Maa,” the Earth no longer appears as a mere backdrop for human activity, but as an actor whose condition has been and continues to be radically transformed by human influence. Maaskola’s works emerge from the tension between human design and material autonomy. The title of the series—and the exhibition itself—serves as a double inscription of origin and rootedness: “Maa” is part of Maaskola’s surname, but in Finnish it also means “land.”
Text: Katrin Krumm
May 17th
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Opening / May 16th, 7 PM
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Eine Archäologie der Gegenwart
Wurzeln, Aststücke und Fragmente von Bäumen ruhen auf Sockeln aus Marmor oder Granit. Nino Maaskola hat sie mit Kunstharz überzogen – ein gestalterischer Eingriff, der die Durchdringung von Natur und Kultur sichtbar macht. „Das Anthropozän ist das Zeitalter, in dem sich der Mensch nicht länger nur als Bewohner der Erde versteht, sondern als geologischer Agent“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn. Bereits im Daoismus ist die Verbindung zwischen Mensch und Erde durch Atmung und Zirkulation grundlegend. Was allerdings neu ist, ist die materielle Einschreibung des Menschen in die Erdgeschichte.
Was formal wie eine klassische skulpturale Setzung erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als eine Auseinandersetzung mit Formen der Zersetzung, Bewahrung und Transformation. In der Skulpturengruppe treffen Millionen Jahre alte Gesteine, über Jahrzehnte gewachsene Wurzeln und das in wenigen Stunden erstarrende Kunstharz aufeinander. Harz, Stein und Holz schichten sich wie Erdsegmente übereinander und sedimentieren Material und Zeit in skulpturaler Form. Zwischen menschlichem Zeithorizont und geologischer Dauer entfaltet sich, was Horn einen „clash of scales“, ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Zeitordnungen nennt. Die letzte Schicht bildet Epoxidharz, als materielles Symbol des Anthropozäns: Es verbindet die beiden Skulpturteile. Der glänzende, synthetische Überzug oszilliert zwischen Konservierung und Künstlichkeit, zwischen ästhetischer Veredelung und Versiegelung. Die Skulpturen konservieren einen Zwischenzustand: Die Wurzeln, einst tief in der Erde verankert, auf dem Weg zurück zu Humus, sind in ihrem Moment der Auflösung angehalten. In Kombination mit den Sockeln, auf denen sie platziert sind, entsteht eine Verbindung zwischen menschlichen Körperformen, geologischem Material und ökologischem Wachstum. Sie nehmen dabei fast eine anthropomorphe Körperlichkeit an, erinnern an Köpfe oder Rümpfe. Der Baum erscheint als dem Menschen verwandt – nicht nur in seiner Gestalt, sondern auch in seiner Wechselwirkung mit der Erde.
Mit “Maa” betrachtet Maaskola nicht nur die gegenwärtige Figuration der Mensch-Natur-Beziehung, sondern macht das Material selbst zu handelnden Akteur*innen. Seine Stoffe tragen im Sinne einer "Wirkmächtigkeit der Dinge" die Prozesse ihrer eigenen Formbildung mit. Das Epoxidharz, das in den Skulpturen als versiegelnde Haut erscheint, wird in den Wandarbeiten zur autonomen Bildmasse, die sich in expansiven, ringförmigen Formationen ausbreitet. Zentrierend von der Mitte ausgehend, erinnern die Kreisformationen an geologische, biologische oder klimatische Prozesse, etwa die mysteriösen Feenkreise in der Wüste Namibias, die Richat-Struktur in Mauretanien oder unterseeische Ringe vor Korsika. Die Wandskulpturen werden zu organisierenden wie organisierten Landschaften. Durch Dichte, Temperatur und Trocknungszeit bilden sie eigene Strukturen, als folgten sie einem inneren Code. Ihre Eigenlogik erinnert an natürliche Maserungen von Stein oder Wuchsformen von Holz und deutet auf eine Selbstorganisation, wie sie von der fraktalen Forschung bekannt ist.
Die Erde erscheint in “Maa” nicht länger als bloße Kulisse menschlichen Handelns, sondern als Akteur, dessen Beschaffenheit sich unter menschlichem Einfluss radikal verändert hat und verändert. Maaskolas Arbeiten entstehen in der Spannung zwischen menschlicher Setzung und materieller Autonomie. Der Titel der Serie, wie der Ausstellung selbst, gleicht einer doppelten Einschreibung in Herkunft und Erdverbundenheit: “Maa” ist Teil von Maaskolas Nachnamen, bedeutet im Finnischen aber auch „Land“.
Text: Katrin Krumm
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An Archaeology of the Present
Roots, branches, and tree fragments rest on pedestals made of marble or granite. Nino Maaskola has coated them in synthetic resin—a sculptural intervention that renders visible the interpenetration of nature and culture. “The Anthropocene is the epoch in which humans no longer see themselves merely as inhabitants of the Earth, but as geological agents,” writes cultural theorist Eva Horn. In Daoism, the connection between humans and the Earth through breath and circulation is already fundamental. What is new, however, is the material inscription of the human into the history of the Earth.
What appears at first glance to be a classic sculptural composition reveals itself, upon closer inspection, as an engagement with processes of decomposition, preservation, and transformation. In this group of sculptures, million-year-old rock, roots grown over decades, and synthetic resin that hardens within hours come together. Resin, stone, and wood layer like segments of the Earth, sedimenting material and time into sculptural form. Between the human time scale and geological duration, what unfolds is what Horn calls a “clash of scales”—a collision of different temporal orders. The final layer is epoxy resin, serving as a material symbol of the Anthropocene: it binds the two sculptural elements together. The glossy, synthetic coating oscillates between preservation and artificiality, between aesthetic refinement and sealing. The sculptures preserve a transitional state: roots, once deeply anchored in the soil and on their way back to humus, are frozen in a moment of dissolution. Combined with the pedestals they are placed upon, a connection emerges between human bodily forms, geological material, and ecological growth. They almost assume an anthropomorphic corporeality, evoking heads or torsos. The tree appears kin to the human—not only in form, but also in its interaction with the Earth.
With “Maa,” Maaskola explores not only the contemporary configuration of the human–nature relationship, but also renders the material itself into acting agents. His materials carry, in the sense of a “material agency,” the processes of their own form-making. The epoxy resin, which appears in the sculptures as a sealing skin, becomes an autonomous pictorial substance in the wall works, spreading in expansive, ring-shaped formations. Radiating outward from the center, these circular formations evoke geological, biological, or climatic processes—such as the mysterious fairy circles in the Namib Desert, the Richat Structure in Mauritania, or underwater rings off the coast of Corsica. The wall sculptures become organizing as well as organized landscapes. Through density, temperature, and drying time, they generate their own structures, as if following an internal code. Their inner logic recalls natural grain patterns in stone or growth forms in wood and suggests a kind of self-organization known from fractal research.
In “Maa,” the Earth no longer appears as a mere backdrop for human activity, but as an actor whose condition has been and continues to be radically transformed by human influence. Maaskola’s works emerge from the tension between human design and material autonomy. The title of the series—and the exhibition itself—serves as a double inscription of origin and rootedness: “Maa” is part of Maaskola’s surname, but in Finnish it also means “land.”
Text: Katrin Krumm
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Eine Archäologie der Gegenwart
Wurzeln, Aststücke und Fragmente von Bäumen ruhen auf Sockeln aus Marmor oder Granit. Nino Maaskola hat sie mit Kunstharz überzogen – ein gestalterischer Eingriff, der die Durchdringung von Natur und Kultur sichtbar macht. „Das Anthropozän ist das Zeitalter, in dem sich der Mensch nicht länger nur als Bewohner der Erde versteht, sondern als geologischer Agent“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn. Bereits im Daoismus ist die Verbindung zwischen Mensch und Erde durch Atmung und Zirkulation grundlegend. Was allerdings neu ist, ist die materielle Einschreibung des Menschen in die Erdgeschichte.
Was formal wie eine klassische skulpturale Setzung erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als eine Auseinandersetzung mit Formen der Zersetzung, Bewahrung und Transformation. In der Skulpturengruppe treffen Millionen Jahre alte Gesteine, über Jahrzehnte gewachsene Wurzeln und das in wenigen Stunden erstarrende Kunstharz aufeinander. Harz, Stein und Holz schichten sich wie Erdsegmente übereinander und sedimentieren Material und Zeit in skulpturaler Form. Zwischen menschlichem Zeithorizont und geologischer Dauer entfaltet sich, was Horn einen „clash of scales“, ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Zeitordnungen nennt. Die letzte Schicht bildet Epoxidharz, als materielles Symbol des Anthropozäns: Es verbindet die beiden Skulpturteile. Der glänzende, synthetische Überzug oszilliert zwischen Konservierung und Künstlichkeit, zwischen ästhetischer Veredelung und Versiegelung. Die Skulpturen konservieren einen Zwischenzustand: Die Wurzeln, einst tief in der Erde verankert, auf dem Weg zurück zu Humus, sind in ihrem Moment der Auflösung angehalten. In Kombination mit den Sockeln, auf denen sie platziert sind, entsteht eine Verbindung zwischen menschlichen Körperformen, geologischem Material und ökologischem Wachstum. Sie nehmen dabei fast eine anthropomorphe Körperlichkeit an, erinnern an Köpfe oder Rümpfe. Der Baum erscheint als dem Menschen verwandt – nicht nur in seiner Gestalt, sondern auch in seiner Wechselwirkung mit der Erde.
Mit “Maa” betrachtet Maaskola nicht nur die gegenwärtige Figuration der Mensch-Natur-Beziehung, sondern macht das Material selbst zu handelnden Akteur*innen. Seine Stoffe tragen im Sinne einer "Wirkmächtigkeit der Dinge" die Prozesse ihrer eigenen Formbildung mit. Das Epoxidharz, das in den Skulpturen als versiegelnde Haut erscheint, wird in den Wandarbeiten zur autonomen Bildmasse, die sich in expansiven, ringförmigen Formationen ausbreitet. Zentrierend von der Mitte ausgehend, erinnern die Kreisformationen an geologische, biologische oder klimatische Prozesse, etwa die mysteriösen Feenkreise in der Wüste Namibias, die Richat-Struktur in Mauretanien oder unterseeische Ringe vor Korsika. Die Wandskulpturen werden zu organisierenden wie organisierten Landschaften. Durch Dichte, Temperatur und Trocknungszeit bilden sie eigene Strukturen, als folgten sie einem inneren Code. Ihre Eigenlogik erinnert an natürliche Maserungen von Stein oder Wuchsformen von Holz und deutet auf eine Selbstorganisation, wie sie von der fraktalen Forschung bekannt ist.
Die Erde erscheint in “Maa” nicht länger als bloße Kulisse menschlichen Handelns, sondern als Akteur, dessen Beschaffenheit sich unter menschlichem Einfluss radikal verändert hat und verändert. Maaskolas Arbeiten entstehen in der Spannung zwischen menschlicher Setzung und materieller Autonomie. Der Titel der Serie, wie der Ausstellung selbst, gleicht einer doppelten Einschreibung in Herkunft und Erdverbundenheit: “Maa” ist Teil von Maaskolas Nachnamen, bedeutet im Finnischen aber auch „Land“.
Text: Katrin Krumm
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An Archaeology of the Present
Roots, branches, and tree fragments rest on pedestals made of marble or granite. Nino Maaskola has coated them in synthetic resin—a sculptural intervention that renders visible the interpenetration of nature and culture. “The Anthropocene is the epoch in which humans no longer see themselves merely as inhabitants of the Earth, but as geological agents,” writes cultural theorist Eva Horn. In Daoism, the connection between humans and the Earth through breath and circulation is already fundamental. What is new, however, is the material inscription of the human into the history of the Earth.
What appears at first glance to be a classic sculptural composition reveals itself, upon closer inspection, as an engagement with processes of decomposition, preservation, and transformation. In this group of sculptures, million-year-old rock, roots grown over decades, and synthetic resin that hardens within hours come together. Resin, stone, and wood layer like segments of the Earth, sedimenting material and time into sculptural form. Between the human time scale and geological duration, what unfolds is what Horn calls a “clash of scales”—a collision of different temporal orders. The final layer is epoxy resin, serving as a material symbol of the Anthropocene: it binds the two sculptural elements together. The glossy, synthetic coating oscillates between preservation and artificiality, between aesthetic refinement and sealing. The sculptures preserve a transitional state: roots, once deeply anchored in the soil and on their way back to humus, are frozen in a moment of dissolution. Combined with the pedestals they are placed upon, a connection emerges between human bodily forms, geological material, and ecological growth. They almost assume an anthropomorphic corporeality, evoking heads or torsos. The tree appears kin to the human—not only in form, but also in its interaction with the Earth.
With “Maa,” Maaskola explores not only the contemporary configuration of the human–nature relationship, but also renders the material itself into acting agents. His materials carry, in the sense of a “material agency,” the processes of their own form-making. The epoxy resin, which appears in the sculptures as a sealing skin, becomes an autonomous pictorial substance in the wall works, spreading in expansive, ring-shaped formations. Radiating outward from the center, these circular formations evoke geological, biological, or climatic processes—such as the mysterious fairy circles in the Namib Desert, the Richat Structure in Mauritania, or underwater rings off the coast of Corsica. The wall sculptures become organizing as well as organized landscapes. Through density, temperature, and drying time, they generate their own structures, as if following an internal code. Their inner logic recalls natural grain patterns in stone or growth forms in wood and suggests a kind of self-organization known from fractal research.
In “Maa,” the Earth no longer appears as a mere backdrop for human activity, but as an actor whose condition has been and continues to be radically transformed by human influence. Maaskola’s works emerge from the tension between human design and material autonomy. The title of the series—and the exhibition itself—serves as a double inscription of origin and rootedness: “Maa” is part of Maaskola’s surname, but in Finnish it also means “land.”
Text: Katrin Krumm