Cave

Béla Feldberg / Kolja Kärtner Sainz / Matt Muir / Tatjana Vall

Sep 21st - Oct 24th, 2025
Opening / Sep 20th, 2 PM

Information

Cave
Béla Feldberg / Kolja Kärtner Sainz / Matt Muir / Tatjana Vall

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Eine Höhle ist ein Ort der Überlagerungen. Sie enthält Spuren – Rauchschwärze, Ritzungen, Muscheln, Glasscherben – und verrät Geschichten, sichtbare sowie unsichtbare. In der Höhle ist Platz für alles mögliche: In ihr liegen Dinge nebeneinander, die eigentlich nicht zusammengehören, und doch durch ihre Nähe neue Bedeutungsebenen schaffen. Die Galerie verwandelt sich in eine solche zeitgenössische Höhle, in der Fragmente zugleich von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erzählen.

Der Raum öffnet sich für die Arbeiten von Béla Feldberg, Tatjana Vall, Matthew Muir und Kolja Kärtner Sainz, die sich nicht einer linearen Erzählung fügen, sondern erst durch ihre Gegenüberstellung neue Lesarten eröffnen: Fragile und organische Materialien treffen auf industrielle Überreste, scheinbar zufällig kombinierte Fundstücke treten Beobachtungen zeitgenössischer Architektur gegenüber. Alle Arbeiten zeichnet Dynamik aus, in der Gegensätze Reibung erzeugen. Die Höhle kann hierbei sowohl ein Raum der Selbsterkenntnis und inneren Transformation, als auch eine Gegenwelt sein, in der die Gesetze des Alltags außer Kraft gesetzt werden.

Die Arbeiten von Béla Feldberg sind Beobachtungen urbaner Räume: Liberty/Nassau, ist ein Zitat einer Skulptur der New Yorker Innenstadt. Hier trifft man immer wieder auf feindselige architektonische Elemente, die sich vor allem gegen Obdachlose wenden. So auch diese Skulptur, die minimal und steril, aber zugleich abwehrend und aggressiv ist. Durch ihre unebenen Flächen hat sie keinen praktischen Nutzen. Mit Rostschutzfarbe werden Makel immer wieder übermalt; erste Spuren der Abnutzung werden hinter einer vermeintlich perfekten Fassade versteckt. Seine fotografischen Aufnahmen der New Yorker Innenstadt hingegen sind Notizen, die er abstrahiert und so in eine persönliche Perspektive auf die Gegenwart überführt. Mögliche Erwartungen an Harmonie werden hier durchbrochen. Ähnlich verhält es sich bei den Skulpturen von Matthew Muir, die scheinbar zufällig kombinierte Objekte zusammenbringen. In Windplay fügen sich ein Bucket Hat und ein Windspiel zu einer quallenähnlichen Form – familiär und befremdlich zugleich. Fundstücke, die eigentlich nicht zusammenpassen wollen, und sich dennoch zu einer stimmigen Form fügen. Irritiert bleiben wir zurück, können aus dem Gesehenen keine logische Schlussfolgerung ziehen. So legt Muir ironisch die standardisierten Muster offen, nach denen Kunst betrachtet und interpretiert wird. Für Muir wird die Höhle zum Ort des Austauschs und des Hinterfragens. Denn Institutionen, wie auch Galerien, sind Orte ritualisierter Abläufe sowie von Perspektiven, die mitunter in sich selbst gefangen sind. Muirs absurde Kombinationen sind Aufforderungen, die Grenzen zwischen Täuschung und Illusion immer wieder neu auszuhandeln.

Tatjana Valls Wandobjekte befassen sich mit Spuren sowie unterschiedlichen zeitlichen Ebenen, die aneinander anknüpfen und miteinander agieren. Cloudy Vision verbindet Seide, ein jahrtausendealtes Material, mit dem erst im 19. Jahrhundert entdeckten Aluminium. Hier vereint sich nicht nur Organisches mit Anorganischem, es wird auch ein Bogen zwischen den Zeiten gespannt: Erwartungen der Vergangenheit an die Zukunft werden hinterfragt. Die Flecken auf dem Seidenstoff, der einer Hautoberfläche gleicht, sind wie Zeichen von Alterung, die auf der Höhlenwand fest in ihre Oberfläche eingeschrieben sind. Doch was so abstrakt anmutet, ist das Auge eines von Parasiten befallenen Hais – ein Foto, das Vall in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift gefunden und farblich verändert hat. In der Weight-Serie sind industrielle Unterwasserrohre und Messinstrumente dargestellt. Auch hier handelt es sich um Bildmotive, die üblicherweise nicht auf feinem Seidenstoff erscheinen. Wie bei Feldberg und Muir werden Erwartungen an Ästhetik und künstlerische Darstellung unterlaufen. Eine vergleichbare Reibung prägt auch die Gemälde von Kolja Kärtner Sainz. Diese sind wie tektonische Überlagerungen, die urzeitliche und futuristische Bildwelten miteinander vereinen. In Heart in a Cage (Replica) wird ein dynamischer Prozess sichtbar, der ebendiese Schichtungen offenlegt. Es könnte sich hier sowohl um menschliches Muskelgewebe als auch um maschinell-technische Gebilde handeln. Dadurch erlauben sie keine eindeutige Lesbarkeit. Vielmehr entwickelt er Bildwelten, in denen Abstraktion und Figuration ineinanderfließen und fiktive Ökosysteme entstehen. Wie in der Höhle selbst werden Spuren gesammelt, Übergänge sichtbar gemacht und neue Möglichkeitsräume eröffnet. Sowohl bei Kärtner Sainz als auch bei Vall werden die ursprünglichen Beobachtungen und gefundenen Bilder zu abstrakten Hybriden umgeformt. Sie changieren zwischen Natur und Technik und entwerfen das Bild einer dystopischen wirkenden Zukunft.

Alle vier Positionen laden dazu ein, über Wahrnehmung, Wissen und Wahrheit nachzudenken. In dieser Konstellation wird die Galerie selbst zur Höhle: zu einem offenen Archiv, das Spuren sammelt, ohne sie zu ordnen; zu einem Schutzraum, der Austausch ermöglicht; zu einem Ort, an dem die Grenzen zwischen Natur und Technik, Vergangenheit und Zukunft verschwimmen. Hier begegnen sich die Arbeiten nicht als isolierte Positionen, sondern als Teil einer gemeinsamen Erzählung: einer Höhlengeschichte, die immer weitergeschrieben wird.

Text: Dorotea Lorenz

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A cave is a place of superimpositions. It contains traces – smoke stains, carvings, shells, shards of glass – and reveals stories, both visible and invisible. The cave has space for all kinds of things: within it, objects lie side by side that do not really belong together, yet through their proximity create new layers of meaning. The gallery transforms into such a contemporary cave, in which fragments speak at once of past, present, and future.

The space opens itself to the works of Béla Feldberg, Tatjana Vall, Matthew Muir and Kolja Kärtner Sainz, which resist a linear narrative and only through juxtaposition generate new readings: fragile and organic materials encounter industrial remnants, seemingly random assemblages face contemporary architectural observations. All the works are marked by a dynamic in which opposites generate friction. The cave may be a place of self-knowledge and inner transformation, but also a counter-world where the laws of everyday life are suspended.

Béla Feldberg’s works are observations of urban spaces: Liberty/Nassau cites a sculpture in downtown New York. Here one repeatedly encounters hostile architectural elements, aimed especially against the homeless. This sculpture too is minimal and sterile, yet defensive and aggressive. Through its uneven surfaces it serves no practical function. With protective coating, blemishes are constantly painted over; the first traces of wear are hidden behind an allegedly perfect façade. His photographic images of downtown New York, however, are notes that he abstracts, translating them into a personal perspective on the present. Any expectation of harmony is disrupted. Matthew Muir’s sculptures follow a similar strategy, bringing together objects in seemingly random combinations. In Windplay, a bucket hat and a wind chime merge into a jellyfish-like form – both familiar and estranging. Found objects that seemingly refuse to fit together nonetheless form a coherent shape. We are left unsettled, unable to draw any logical conclusion. Muir ironically exposes the standardized patterns by which art is usually viewed and interpreted. For him, the cave becomes a space of exchange and questioning. Institutions, including galleries, are places of ritualized routines and perspectives often trapped within themselves. Muir’s absurd combinations are invitations to constantly renegotiate the boundaries between deception and illusion.

Tatjana Vall’s wall objects deal with traces and with different temporal layers that connect and interact with one another. Cloudy Vision combines silk, a material with millennia of history, with aluminum, discovered only in the 19th century. Here, organic and inorganic meet, while time itself is bridged: expectations of the past towards the future are called into question. The stains on the silk, reminiscent of skin, are like signs of aging inscribed into the cave wall’s very surface. What appears abstract, however, is in fact the eye of a parasite-infested shark – a photograph Vall found in a scientific journal and altered in color. In the Weight series, industrial underwater pipes and measuring instruments appear. Again, these are motifs not usually found on delicate silk. As with Feldberg and Muir, expectations of aesthetics and artistic representation are subverted. A comparable tension also marks Kolja Kärtner Sainz’s paintings, which resemble tectonic superimpositions, uniting primeval and futuristic imagery. In Heart in a Cage (Replica), a dynamic process of layering is revealed. The image could depict human muscle tissue as much as mechanical or technical structures. Clear readability is withheld. Instead, Kärtner Sainz develops pictorial worlds in which abstraction and figuration flow into one another, generating fictional ecosystems. Like the cave itself, traces are gathered, transitions made visible, and new realms of possibility opened. For both Kärtner Sainz and Vall, initial observations and found images are transformed into abstract hybrids. Their works oscillate between nature and technology, envisioning a future that seems dystopian.

Together, all four positions invite reflection on perception, knowledge, and truth. In this constellation, the gallery itself becomes a cave: an open archive collecting traces without ordering them; a shelter enabling exchange; a place where the boundaries between nature and technology, past and future blur. Here, the works encounter each other not as isolated positions but as part of a shared narrative: a cave story that continues to be written.

Text: Dorotea Lorenz

All rights reserved. © PAW, 2025Imprint

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